Seit dem Debüt „Hoffnungslos hoffnungsvoll“ ist viel passiert – für Joris eröffnet sich eine neue Welt, sodass der Nachfolger „Schrei es raus“ nach langer Pause endlich unter die Menschen gebracht werden muss; natürlich auch live – wir waren beim Konzert im FZW Dortmund dabei.
Das Debüt-Album „Hoffnungslos hoffnungsvoll“ (2015) hat für Joris eine neue Welt geschaffen: Leben findet plötzlich in den Medien, auf der Bühne und im Tourbus statt. Eine Zeit wie im Zeitraffer. 2017 drückt Joris auf die Pause-Taste. Er zieht sich zurück und verbringt mehrere Monate in Spanien und Italien, um Erfahrungen sacken zu lassen und an neuem Material zu arbeiten, das im Oktober mit dem zweiten Album „Schrei es raus“ veröffentlicht wurde – kurz darauf geht es auch schon auf gleichnamige Tour, mit der Joris und Band auch am Freitag, 2. November im FZW Dortmund Halt machten.
Nachdem Mister Me, Max Prosa und Lotte (hört Euch unbedingt alle drei KünstlerInnen an!) schon in anderen Städten die Chance bekommen haben, dem breiten Publikum im Vorprogramm ihre Musik vorzustellen und einzuheizen, ist heute ein für uns alter Bekannter Support: Kelvin Jones‚ eigene Tourneen durften wir bereits 2015 präsentieren und sind froh, den simbabwisch-britischen Singer/Songwriter heute wieder live zu erleben. Binnen weniger Sekunden hat der Sympath die Clubbesucher im Griff: Spielerisch singt er mit ihnen, punktet dabei vor allem durch eine herzlich-humorvolle Art und animiert alle dazu, mitzumachen, zu lachen und vor allem auch laut mitzusingen, was so gut klappt, dass sein Kommentar „Geile Scheiße!“ es auf den Punkt bringt. Doch nicht nur seine Art begeistert, sondern auch Songs wie „Call You Home“ , „The Only Thing We Know“ oder ein Liebeslied, das er länger nicht mehr live gespielt hat. Ein rundum gelungener Auftritt, mit dem der Popmusiker sicherlich einige neue Zuhörer und Fans gewonnen hat.
Um kurz vor 21 Uhr ist der kurze Umbau bereits vollbracht und es geht mit einem mächtigen Intro Richtung „Schrei es raus“ in Dortmund, als plötzlich alles dunkel wird und man Joris nur in Silhouetten auf der Bühne stehen sieht, bis der Refrain des Openers „Magneten“ dafür sorgt, dass der Club völlig losgelöst eskaliert und Joris und seiner Band (Tobi, Wolle, Connie, Sebastian) somit offensichtlich eine Menge Energie schenkt, denn die Jungs haben unglaublich viel Spaß, Freude und Bock – das sieht, fühlt und hört man mit jedem Ton, jeder Bewegung und jedem verschmitzten Lächeln. Spätestens jetzt ist klar: Joris und Band werden das FZW Dortmund heute auseinander nehmen und das Publikum wird sie dabei nur zu gerne unterstützen.
Hier stimmt alles: Neben der musikalisch hoch angelegten Qualität sehen wir hier wirklich fünf junge Männer, die ihre Leidenschaft ausleben, voller Enthusiasmus – sie versinken so intensiv in ihrer Performance, dass sie zwar Wasserflaschen vor sich stehen haben, aber das Trinken völlig vergessen; die Musiker leben in ihrer Welt und werden voneinander angetrieben. Spaß zuzuschauen macht es aber nicht nur deshalb, sondern auch wegen der liebevoll gestalten Lichtshow, die mit im Takt tanzt und das Bühnenbild fantastisch erstrahlen lässt. Obgleich das alles schon nach Liebe pur klingt, ist es Joris wichtig, noch mehr Liebe zu verteilen, nachdem er gerade durch das Publikum gelaufen ist: „Ihr kommt aus unterschiedlichen Regionen dieser Republik – des Potts, der Welt; verschiedenste Religionen heute hier, verschiedenste – ich sag das offen – Geschlechter heute hier – trotzdem alles wunderschöne Menschen. Habt Ihr gar nicht gemerkt, oder? Ihr steht einfach hier, komplett bunt. Wir sind alle so grundverschieden und das ist wunderschön. Nehmt mal dieses Gefühl mit raus in die echte Welt da draußen – und ich verspreche Euch, wenn Ihr das mitnehmt, dann wird die Welt ein ganzes Stück bunter sein!“
Auch wenn Joris dem Namen nach ein Solokünstler ist, so wird an diesem Abend klar, dass dieser zu jedem möglichen Zeitpunkt insbesondere auch die Menschen in den Vordergrund stellen möchte, die diese Reise mit ihm zusammen bestreiten: Vom Merch-Girl über den Fotografen (Tim Kramer, seht seine Bilder hier) bis hin zum Tourmanager – und immer wieder seinen Bandfreunden (nach einem Versprecher während der Vorstellungsrunde „wenn wir mal Kinder haben…„ {womit er natürlich meinte, wenn beide jeweils Väter sind und eben nicht miteinander}, ist er mit dem Satz ganz trocken „let’s make this official, man“ – und gibt seinem Bandkollegen Sir Tobi einen Kuss), was von den Fans bejubelt wird.
Besonders wichtig ist Joris auch, dass seine Fans im Hier und Jetzt leben und „nicht nur in Screens gucken, denn wir alle können was sehen“ . Überraschend handyfrei ist das gesamte Konzert, auch wenn manch einer hier und da ein Erinnerungsfoto schießt (was wir völlig okay finden), und somit nehmen die Fans auch vielmehr teil und sehen das Konzert wirklich mit ihren eigenen Augen und nicht nur durch zig kleine Bildschirme. Applaus! Neben den ständigen Begleitern wird auch einer zum Star des Abends: Viva Con Agua, denn auf das großartige Tun dieser Crew möchte Joris unbedingt aufmerksam machen: „Diese Flagge ist viel, viel wichtiger als Musik, als Fußball, als wir alle gemeinsam – diese Organisation sorgt dafür, dass es auf der ganzen Welt Zugang zu sauberem Trinkwasser gibt“ , hebt er die Wichtigkeit hervor und bittet die Besucher, ihre Becher zu spenden – und wenn sie es sich finanziell nicht erlauben können, wenigstens ein High Five als Dank für die Arbeit zu geben.
Über zwei Stunden haben Joris und Band diesen Abend durchgepowert, obwohl es „nur“ 17 Songs waren, die aber allesamt ‚uncut‘ gespielt wurden – keine Radioversionen, sondern neu arrangierte Live-Versionen mit Klarinette, Akkordeon oder Klavier kombiniert mit vielen Geschichten, ob zu den Songs oder der Welt, kleinen Besonderheiten (Joris ging durch das Publikum auf den Balkon, um dort „Schnee“ zu spielen – und auf dem Weg zurück zur Bühne „Amazing Grace“). Abschließend stellen Joris, Tobias, Wolfgang, Sebastian und Connie noch ein selbstgebasteltes Instrument – bestehend aus Schreibmaschine, Weingläsern, leeren Flaschen – vor: Die Fk3000 aka Flaschenklang3000. Obwohl Kelvin Jones bereits Feierabend hat, kommt er für dieses Spektakel noch einmal auf die Bühne und performt mit Joris gemeinsam seinen Hit „Call You Home“ in einer Gänsehaut-Version, gefolgt von „Sommerregen“ und noch mehr Gänsehaut.
Weder die Fans noch Joris sind bislang platt und so gibt es natürlich eine mega Zugabe, die unter anderem aus den beiden Hits „Signal“ und „Herz über Kopf“ besteht – den beiden Songs, mit denen die beiden Albumreisen jeweils begonnen haben und hier durch Konfetti- und Schlangenbomben sowie lautem Mitgesang gefeiert werden. Nach einer extremen Verausgabung kehrt zum Schluss noch einmal Ruhe ein – explizit bittet der Künstler noch einmal darum, dass jetzt wirklich keine Handys da sind und man ihm einfach zuhört: Bei seinem Konzert in Ansbach gab es ein Attentat. Jemand sprengte sich in die Luft. Ein Moment, den man nicht nachvollziehen kann, sofort aber mit einem Wort verbindet: Angst. Diese hatte auch Joris so gepackt, dass er zunächst nicht mehr auf die Bühne zurückwollte, doch dann mit der Stärke und Kraft seiner Band irgendwann wieder soweit war – zum Glück; deutlich wird auch ein Appell an die Menschen im Publikum, „verdammt nochmal für die Leute da zu sein, die gerade durch schwierige Zeiten gehen“ . In völliger Ruhe und Stille, völlig emotional und den Tränen nahe (man hört das Publikum deutlich schluchzen), spielt Joris den letzten Song des Abends, der vielleicht sogar der wichtigste wird: „Glück auf“ zeigt nur ihn am Klavier sitzend mit einer Grubenlampe vor sich – bis irgendwann mit dem letzten Ton, dem letzten Wort auch das Licht erlischt … und dann ein großes LED- „DANKE“ auftaucht und das Konzert beendet ist – in der Hoffnung, dass die Gedanken und Worte von Joris noch lange nachhallen und vor allem verinnerlicht werden, seine Nächstenliebe auf die Fans übertragen wird; weshalb wir die Zeilen oben auch unbedingt wortwörtlich zitieren mussten.
Insgesamt ein großartiger Livemusikabend, den wir uneingeschränkt und zu 100% weiterempfehlen können: Wer noch zweifelt, sollte das sein lassen und Joris spätestens 2019 live erleben – denn da kommt er hoffentlich zurück auf Tour. Intensive, gefühlvolle, emotionale und vor allem ehrliche Momente sind hier garantiert – stark. Eines der besten Konzerte des Jahres.
Seht nachfolgend noch ein paar visuelle Eindrücke des Konzertabends ❤