Eine Recording Session in den Berliner Hansa Studios – das ist ein Schuh, den man erst einmal füllen muss. Schließlich entstanden an diesem mythenumrankten Ort legendäre Alben von Künstlern wie David Bowie, Depeche Mode, U2, R.E.M. und Iggy Pop. Die Beatsteaks zogen sich den Schuh an, für eine Spezialausgabe der DELUXE MUSIC Sessions. Lest hier unser exklusives Interview mit den Beatsteaks!
Die Geschichte: Mit ihrer gemeinsamen Band Beatsteaks haben sich fünf Freunde aus Berlin von einer kleinen Punk-Attraktion über die Jahre zu einer der größten Rockbands Deutschlands entwickelt. Nach unzähligen Tourneen im In- und Ausland, Auftritten auf den größten europäischen Festivals und mehreren Goldalben sind die Beatsteaks heute eine der beliebtesten und erfolgreichsten Rockbands der Republik. Mit uns sprach Lead-Gitarrist Bernd Kurtzke über dies & das – aber lest doch bitte selbst…
The Pick: „I Don’t Care As Long As You Sing“ ist eine DER Indie-Hymnen und so ein Singalongding, das sich durch Generationen zieht. Könnt Ihr noch sagen, wie der Song damals entstanden ist und was Euch zum Track bewegt hat?
Bernd: Das ist ja fast ein bisschen zu lange her, aber wahrscheinlich ist er wie so viele andere Songs von uns entstanden. Irgendeiner hat eine rohe Idee, dann machen alle anderen irgendwas damit und am Ende ist es ein Song.
Aber mal anders: Für Leute, die Euch noch nicht kennen, würdet Ihr Beatsteaks so beschreiben…
Na wie denn? Vielleicht haben wir irgendwann das Glück, dass wir ein eigenes Genre sind – solange ist es gute Musik.
Euren Musikstil habt Ihr über die Jahre immer mal wieder verändert bzw. weiter entwickelt, Ihr habt viel ausprobiert. Über 20 Jahre, so lang hält heutzutage fast keine junge Ehe mehr. Wie habt Ihrs geschafft, auch über Meinungsverschiedenheiten hinweg gute Freunde und Kollegen zu bleiben?
Keine Ahnung, hat irgendwie funktioniert…
Was hat sich ansonsten in der Welt verändert: Politisch ist es heute extrem. Punkt. Trump, AfD, Terror, Angst. Ihr äußert Euch nicht direkt politisch in den Songs, aber man merkt schon, dass es Euch beschäftigt. Gab es mal den Wunsch, einen direkten Song über all die Probleme und das Weltgeschehen zu schreiben – oder hättet Ihr das ‚in jungen Jahren‘ anders gemacht und viel mehr politische Statements gesetzt?
Indirekt schreiben wir auch, unter anderem, Songs mit politischem Inhalt! „Summertime“ zB. handelt von einem Flüchtling, der, in Europa angekommen, nicht das Gefühl hat, irgendwo angekommen zu sein. Dem direkten politischen Song sind wir aber bislang gekonnt ausgewichen, weil es bei unserer Musik und unseren Konzerten um etwas Anderes geht. Da sollen die Leute 2 Stunden lang Spaß haben und den nächsten Tag mal vergessen. Abseits unserer Konzerte und unserer Musik, sind wir allerdings schon politisch und haben eine klare Meinung. Wir haben uns für eine ganze Reihe Organisationen engagiert, zB. Amnesty International, Peta, Viva Con Aqua, Ärzte Ohne Grenzen usw. Da tun wir, was man tun kann und muss!
Man muss sich nur ein bisschen durch Eure Social Medias scrollen, um zu merken: Die Boys haben da Spaß dran. Ist das so, wirkt das nur so oder steht da eigentlich ein Team hinter und gar nicht Ihr selbst?
Das macht größtenteils unser Bassist Torsten Scholz. Der ist der Jüngste und kennt sich damit noch rudimentär aus…
Was auch so gut ist: Euer Beatstuff. Viel Auswahl zum absolut fairen Preis. Kommen wir mal auf Konzertkarten zu sprechen: Ich zahl ~ 40 Euro für ein Ticket, was für die Größenordnung Westfalenhalle 1 absolut angebracht ist. Viele Leute meckern trotzdem immer wieder über Preise für Konzerttickets: „zu teuer“ , „die waren mal günstiger“ blabla. Ihr als alte Hasen könnt doch jetzt mal erklären, wie und warum die Preise genau so angebracht sind und was am Ende für Euch davon übrig bleibt. (Ist ein großes Feld, aber vielleicht so pi mal Daumen.)
Wieviel davon übrig bleibt ist, doch egal; ich frage den Bäcker um die Ecke ja auch nicht, wieviel er an seinen Brötchen verdient. Fakt ist aber, dass wir mit unseren Ticketpreisen zu den ganz wenigen Bands gehören, die sich jeder leisten kann. Da können wir mit Stolz sagen: im Vergleich zu ganz vielen Anderen waren wir noch nie so günstig.
Ihr habt ja unfassbar viele Festivals, Clubs und Hallen bespielt – man möchte meinen alle. Doch gibt es noch irgendwas, wo Ihr Euch denkt: Boah, da möchten wir unbedingt mal (wieder) spielen! Oder welche Träume habt Ihr vielleicht noch?
Den einen Traum hat von uns, glaube ich, jeder: solang wie möglich gesund zu bleiben, um das machen zu können, was wir machen. Da ist der Platz, wo, ja fast Nebensache..
Ihr kamt oft durch die Welt, musikalisch, aber sicher auch privat. Was hat Euch am meisten geprägt, vielleicht musikalisch?
Wir sind tatsächlich fünf unterschiedliche Individuuen, da wirst Du direkt fünf unterschiedliche Antworten bekommen.
Wenn Ihr Euch heutzutage im Radio umhört: Was macht das mit Euch, was für Veränderungen fallen Euch auf und was wünscht Ihr Euch für die Musikwelt und von den Hörern?
Es macht auf jeden Fall, dass man öfter den Senderwahlschalter betätigt als früher. Gitarrenmusik ist grad eher nicht so hip, aber das macht nichts, kommt alles wieder. Was wir uns von den Hörern und Musikkonsumenten im Allgemeinen wünschen, ist, dass man Musik nicht als dauernd verfügbare Selbstverständlichkeit begreift, weil sie immer da ist. Sie wird tatsächlich von Menschen gemacht und dieser Prozess beansprucht eine Menge Zeit und auch Geld sowie eine intensive Auseinandersetzung. Menschen, die streamen, kämen auch nicht plötzlich auf die Idee, für umsonst arbeiten zu gehen. Das wird aber komischerweise irgendwie von Musikern verlangt, warum auch immer. Ich zB. streame auch, aber eher, um mich zu informieren und dann kaufe ich das, was mir gefällt.
2014 habt Ihr mit „Beatsteaks“ Euer s/t Album veröffentlicht, was Bands in der Regel mit Debüts so handhaben. Hat sich das Album zu dem Zeitpunkt wie ein Debüt angefühlt, hat es einfach von allen Platten am meisten Euren Namen verdient oder wie kamt Ihr auf die Idee?
Nö, den hatten wir einfach noch frei..
Kurz darauf habt Ihr mit „Yours“ ’ne Platte mit 21 Songs veröffentlicht. Ey, wo gibts das denn noch – die meisten haben nur noch 9-13 Songs auf ihren Alben; ist ja ein Doppelalbum bei Euch – mussten die Songs alle raus in die Welt?
Genau, alles musste raus!
„Yours“ ist eher Pop, würden wir sagen – wenn man ein Genre nennen mag. Punk, Rock, Pop. Ihr habt vieles durch genremäßig. Woher kommt die Inspiration für die Sounds und die Veränderung?
Auch hier wirst Du fünf unterschiedliche Antworten bekommen. Aber grundsätzlich sind wir wohl Menschen, die nicht zweimal dasselbe Album machen wollen und mit Veränderung eher kein Problem haben. Und wir sind auch Fans von guter Musik. Musik hat uns ja dazu gebracht, selbst welche zu machen und Musik anderer Künstler inspiriert uns auch heute noch.
Das Album wurde größtenteils One Take aufgenommen, oder? War das eine bewusste Entscheidung oder hat sich das so ergeben?
Das ist so nicht richtig. Einige Songs wurden One Take aufgenommen, andere wiederum im Sandwich-Verfahren. Wichtig war nur der jeweilige Song und was er gebraucht hat. Dem hat sich alles untergeordnet.
Kassetten, CD, Minidisc, Vinyl, Download, Streaming. Ihr habt als Band alle Formen der Musikweitergabe mitbekommen und genutzt. Was ist Euer persönliches Highlight und freut Ihr Euch über „den Trend zur Vinyl und weg von der CD“?
Wir sind mit Kassetten, CD´s und Platten aufgewachsen. Download und Streaming kamen erst später dazu. Es ist fast egal, was ein jeder für sich favorisiert, solange wir mit unserer Musik den Leuten auch einen ideellen Wert bieten können und solange Leute Musik als etwas begreifen, das jemand erschaffen muss.
„FEVER DELUXE (DELUXE MUSIC SESSION Spezial aus dem Meistersaal)“ ist nun erschienen, auch in kleiner Vinyl-Auflage, die natürlich sofort weg war. Ein sehr schönes Spezial in einer tollen Location. Ein Interview zwischen Arnim Teutoburg-Weiß, Torsten Scholz mit Markus Kavka – war das Ganze schon länger in Planung?
Ein halbes Jahr vor besagter Session hat uns Deluxe Music gefragt, ob wir uns so etwas vorstellen könnten. So richtig krass durchgeplant war das Ganze am Ende dann gar nicht. Umso schöner, was hinten bei rausgekommen ist.
Wenn Ihr Fans fragen würdet, was ihre liebsten Live-Songs sind – was glaubt Ihr, was würden sie antworten – und welche Nummern spielt Ihr am liebsten live?
Kommt drauf an, wie viele Fans wir fragen würden. Live spielen wir eigentlich alle sehr gern.
Gibt es einen Song, bei dem Ihr sagt ‚Den hätten wir total gerne geschrieben!‘
Last Christmas von Wham wäre ein Kandidat; nicht, weil wir den so toll finden, sondern eher, weil der uns soviel Geld eingespielt hätte, dass uns dann auch das ganze Gestreame völlig egal wäre…
Herz+Blitz=BS! Oder habt Ihr noch einen anderen Abschluss, den Ihr den Lesern mit auf den Weg geben mögt?
Na klar: jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden. Der Satz stammt vom alten Fritz und fasst wie kein zweiter die Begrifflichkeit von Toleranz zusammen. Außerdem wäre es nicht schlecht, wenn wir uns mehr mit Begriffen wie Respekt, Mitgefühl und Solidarität auseinandersetzen, denn das wird immer wichtiger…
Übrigens: Auch wenn die große Hallen-Tour vorbei ist, hat man im Sommer die Chance, die Beatsteaks live zu erleben – und das, unsere lieben Freunde und Freundinnen, sollte man sich nicht entgehen lassen:
02.06. UK-London Camden
05.06. AT-Wien Arena
06.06. AT-Wien Arena Open Air ausverkauft
09.06. Berlin Waldbühne ausverkauft
03.07. AT-Innsbruck Music Hall
06.08. AT-Salzburg Rockhouse
22.08. Dresden Alter Schlachthof
25.08. Berlin Wuhlheide
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Ganz herzlichen Dank an die wundervolle Annett (Verstärker) und Bernd (Beatsteaks) ❤