Die vergangenen drei Jahre war es verhältnismäßig ruhig um EMMA6, da sich das Kölner Trio besonders intensiv mit seinem dritten Album „Wir waren nie hier“ beschäftigte. Live verleihen Peter, Dominik und Henrik ihren Songs noch einmal mehr ‚das gewisse Etwas‘. Gestern beendeten sie ihre „Wir waren nie hier“ –Tour im FZW Club in Dortmund. Eine Live–Review.
Anfang März veröffentlichten EMMA6 nach „Soundtrack für dieses Jahr“ und „Passen“ mit „Wir waren nie hier“ ihre dritte Platte (Review hier), etwas mehr als einen Monat später starteten sie ihre gleichnamige Tour und spielten gestern Abend ein unglaublich fantastisches Tourabschlusskonzert im ausverkauften FZW Club in Dortmund – und eines können wir vorwegnehmen: EMMA6 waren hier und zwar zu 100%, das spürte man mit jedem Paukenschlag, jedem Saitenzupfer, jeder Textzeile und jedem Lächeln sowie jedem Blick in die Menge.
Um 20 Uhr betritt erst einmal der Support, oh sleep, die Bühne und stellt einige Titel seiner kürzlich erschienenen „Trio“-EP vor – begleitet wird Florian Sczesny, wie der Singer/Songwriter wirklich heißt, von Simon am Schlagzeug, David am Bass und sich selbst an der Gitarre. Gemeinsam spielen sie größtenteils ruhige, aber durchaus auch mal schnellere Songs, die beim Publikum Anklang finden – die sympathische Redeart kann jedoch gleichzeitig auch punkten: „Lustig, wie Ihr jetzt alle zur Wand guckt“ , lächelt der singende Gitarrist, nachdem er die Gäste zum Jubeln auffordert: „Schreit mal und macht die Jungs etwas nervös, die sitzen dahinter im Backstage und können Euch hören!“ – eben auf jenen Bereich zeigend. Doch auch mit der Musik und seiner Stimme überzeugt er, bindet sogar ein Cover in sein kurzes Set ein: „Magazine“ von Pedro The Lion (Band seines Lieblingssongwriters David Balzan). Insgesamt erinnert oh sleep an eine Mischung aus Passenger, Jason Mraz, John Mayer und Ed Sheeran – mit einer außergewöhnlichen Stimme, die zuweilen sehr extrem unter die Haut geht. Starke Songs, die „Trio“-EP empfehlen wir sehr. (Wer nicht auf der Tour war, hat leider keine der limitierten 100 Kassetten [ja, Kassetten!] bekommen. Vielleicht gibt es da bald noch eine Chance zu.)
Nach einer kurzen Bier-hol-Pipi-Pause gehen die Lichter dann auch schon aus und Henrik, Dominik, Peter und Florian (ja, der Support-Florian ist ebenfalls Tourgitarrist für EMMA6) betreten die Bühne, die ein sehr schlichtes und dennoch sehr schönes Bild ergibt: Einige große Nachttischlampen, von denen zwei direkt das Schlagzeug beleuchten, diverse Gitarren, hübsch aussehende Amps, ein Retroteppich sowie noch weitere Lichter in verschiedenen Designs lassen die Bühne in voller Pracht erleuchten, erstrahlen. Hat man das einmal wahrgenommen, ist man auch schon mittendrin, denn EMMA6 fackeln nicht lang, sondern legen mit „Lichtungen“ sofort los und gewinnen das Publikum unmittelbar für sich – auch im Verlauf zeigt sich, dass sie die offensichtlich perfekte Setliste aus drei Alben zusammengestellt haben: „Wie es nie war“ trifft auf „Paradiso“ trifft auf „Kapitulieren“ und zudem gibt es mit „Drehen uns im Kreis“ , der unter anderem mit einem sehr langen Intro überzeugt und die Jungs an ihren Instrumenten austoben lässt, sowie „Das Leichteste der Welt“ (großartig-gefühlvolle Kid Kopphausen Hommage) wuchtige Songs, die sehr deutlich zeigen, wie spielfreudig diese Band ist – und wie sehr sie auf die Bühnen gehören.
„Es ist wichtig, Lieblingsbands zu haben“ leitet Peter das Kid-Kopphausen-Cover ein und alle drei versinken in dem Song, lassen sich vom Sog der Musik tragen und freuen sich sehr: „Wir waren jetzt schon ein paar Mal hier im FZW Club und die Tribühne war noch nie komplett voll!“ Kein Wunder, finden wir: Mit „Wir waren nie hier“ haben EMMA6 nach dreijähriger Pause ihr bisher bestes Werk veröffentlicht. Sie sind gereift, sie haben noch einmal mehr erlebt und sie beweisen im Rahmen ihrer Zugabe eine erweiterte Sicht auf die Dinge: „Heute war die AfD in Köln“ , fängt Dominik an und sofort gibt es zahlreiche, laute Buh-Rufe – ein deutliches Statement, wie auch der Applaus nach dem Song zeigt: „Vielen Dank – Euer lauter, langer Applaus ist ein deutliches Zeichen gegen Rechts“ , muss Herr Republik noch einmal hervorheben. Eine Band, die für etwas steht und die mit „Der Elefant“ einen enorm krassen und wichtigen Track geschrieben hat, den man sich unbedingt mit Konzentration und Gedanken an die aktuelle (politische) Weltlage anhören sollte.
Auch wenn die drei Heinsberger schon immer wesentlich erwachsener und vernünftiger wirkten als andere Bands ihrer Altersklasse um sie herum: Mit dieser Platte sind EMMA6 angekommen, mehr denn je. Sie müssen sich nicht verstecken. EMMA6 gehören im Prinzip zu den ganz großen im Musik- und vor allem im Live-Geschäft, auch wenn sie irgendwie noch immer ein kleiner Geheimtipp sind. Viele Konzerte der Tour waren ausverkauft, die Clubs voll und die Fans textsicher, klatsch- und tanzfreudig, was man insbesondere auch in Dortmund feststellen kann; auch der Band selbst fällt das schnell auf und sie nutzen es für sich, um einen gebührenden Abschluss zu feiern. „Was kann ich dafür, dass ich aus den 80ern bin?“ ist wie auch „Paradiso“ oder „10 Jahre“ ein absoluter Mitgröhlsong und das kann Dortmund offensichtlich sehr gut – aber auch bei den Nicht-Singles beweisen die Fans, dass sie solche sind. Nach drei Zugaben hat das FZW-Publikum noch immer nicht genug und schreit weiter nach Zugaben – leider findet im Anschluss eine Party statt, weshalb die Band von der Bühne muss. Unerklärlich, dass diese Lieder im Radio nicht rauf und runter laufen. Andererseits: EMMA6 in gemütlicher, enger, schwitziger Clubatmosphäre ist vielleicht besser als in einer großen Westfalenhalle – wobei sie auch die mit sehr großer Sicherheit diese mit ihrer Energie und Leidenschaft ausfüllen würden. Wer weiß, wo sie in 10 Jahren stehen – eines ist sicher: Wir werden dabei bleiben und die weitere Laufbahn dieser Herren verfolgen und können EMMA6 auch nur jedem noch einmal ans Herz legen – geht auf die Club-Konzerte um die Ecke, geht zu EMMA6, denn sie schenken Euch und Euren Freunden „Wunderbare Jahre“.
Unsere Fotogalerie von EMMA6 & OH SLEEP aus dem FZW CLUB in DORTMUND gibts hier
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