Album Review / Musiktipp: »Fragen über Fragen« von BALBINA ist ein verschachteltes Kunstwerk, das die Welt entdecken muss – und wird!

Veröffentlicht: Februar 16, 2017 in Neuerscheinungen
Schlagwörter:, , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

balbina-fragen-ueber-fragen-voe-17-02-2017»Warum lassen Maiglöckchen den Kopf hängen? Warum bin ich nur immer so müde, was hält mich an – was hält mich am Leben und warum?« Die Liedermacherin Balbina stellt sich auf ihrer neuen Langspielplatte einen Katalog an Fragen und nimmt uns mit auf eine Forschungsreise nach Antworten. Balbina tastet sich pragmatisch an Rätsel heran, die ihr alltäglich begegnen. Forscht mit Worten, sucht die Antworten auf ihre Fragen in den Fragen selbst. Eine Review zur neuen Platte »Fragen über Fragen«, die gehört werden muss.

Balbina ist nicht einfach da, um gemocht zu werden – sie ist keine Lena, keine Taylor Swift und auch keine Adele, sie ist nicht Everybody’s Darling, sie ist der Misfit, der sich oftmals unverstanden fühlt (und sich selbst wahrscheinlich auch nicht immer versteht) und mit diesem Verständnis für das Unverständnis die Songs schreibt, die Dinge erörtern, die anderen nicht einmal bewusst sind – weil sie wahrnimmt und weil sie sieht, was andere nicht sehen, nicht sehen wollen, niemals in Frage stellen würden, niemals fragen würden – doch genau das tut die Künstlerin aus Berlin und stellt »Fragen über Fragen« und noch mehr davon.

Der Titeltrack fungiert als Opener, somit als klare Ansage, über das, was den Hörer auf der neuesten Balbina-Platte erwartet. Es gibt viele Fragen, die auf der musikalischen Ebene orchestral unterlegt werden – vieles wird gefragt, ohne direkte Antworten zu finden und doch ergeben sich die Antworten auf die Art des Nachdenkens, denn nachgedacht wird nicht nur auf der textlichen Ebene viel, sondern auch auf der Hörerseite, denn der Aufmerksame wird beginnen, zu philosophieren – für sich selbst oder in der Aktion, zu der Balbina über Social Media aufgerufen hat (hier). Viele Fragen, nur, um am Ende mit »Was weiß ich – was weiß ich denn schon?« die Frage zu stellen, die den Misfit-Song »Unterm Strich« sozusagen einleitet? Nein. Viele Fragen, um wirklich nachzudenken und zum Nachdenken anzuregen – viele Sätze, die nahezu von der perfekten Konstruktion leben und durch das Orchester noch lebendiger werden, insbesondere aber auch durch klare Ansagen wie »Das Radio will, dass ich meine Lieder kürze/ dann kürz ich lieber mich« oder »Ich will ’ne Diktatur in meiner Musik/ ist mir egal, wie eine Band das sieht«. Chapeau!

Wie auch der Vorgänger »Über das Grübeln« besticht die neue Platte mit intelligent aneinandergereihten Wortfetzen – und doch stellt »Fragen über Fragen« die letzte(n) Platte(n) in den Schatten, weil hier einfach alles stimmt – die Inszenierung ist echt und perfekt! Wenn man das so sagen darf, bedient »Fragen über Fragen« den Mainstream mehr als Balbina das vorher gemacht hat – und doch lebt die 33-Jährige (auf diesem Album) in ihrer eigenen Welt und lädt jeden Zuhörer in diese ein, indem sie balbinadie Worte zu ihrem Eigen macht und jeder noch so kleinen Silbe mit der Intonierung eine Bedeutung schenkt.

Die Popmusik ist überhaupt das große Ding für diese Platte, denn sie macht die verschachtelten Sätze greifbarer und weniger sperrig als es viele Kritiker noch beim Balbina-Debüt empfanden. »Fragen über Fragen« bietet Zugang für ein großes Publikum und es gibt »keine Lieder über Liebe – und auch nicht über tiefe Gefühle«, wie in der ersten Single »Die Regenwolke« bereits verdeutlicht wurde – und so ist es. Es werden zahlreiche Genres, unzählige Instrumente bedient und so gibt es Lieder über »Das Sinnlos«, »Das Milchglas« oder »Das Glück«. Alles wird, wie der bestimmte Artikel vor dem Substantiv bereits beim Durchschauen der Tracklist wissen lässt, im Einzelnen betrachtet, kein Plural ist vorhanden (außer bei den vielen Fragen). Jedes Lied ist in sich geschlossen und doch sollte man diese Platte vor allem als Gesamtwerk betrachten, denn so funktioniert es am besten, wobei wir an dieser Stelle in einem Nebensatz »Das Kaputtgehen« als absolutes Highlight unter den Highlights hervorheben möchten.

»Fragen über Fragen« wirft Balbina in die Luft, aus dem Stand nach ganz oben – diese Platte ist auf einem so hohen, internationalen Pop-Niveau wie es keine Künstlerin in Deutschland in den letzten Jahren geschafft hat. Dieses Werk ist eine Liebesklärung (ob gewollt oder nicht) an das Wort an sich, an die deutsche Sprache und an die Musik auf allen Ebenen. Jedes Hauchen, jedes Seufzen, jeder Ton (die Stimme bewegt sich wirklich auf allen möglichen Ebenen), jedes Wort – alles sitzt so perfekt, dass man beim Zuhören einen Film vor Augen hat; viele Filme – die Bildhaftigkeit ist unfassbar genau, unglaublich exakt und doch für jeden individuell abspielbar, denn jede Interpretation wird anders sein. Das Orchester setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Dieses Orchester, diese Lyrik, dieses Gesamtkunstwerk!

Es ist der 17. Februar, an dem die Welt das Album in den Händen halten und sich auf die Ohren legen darf – das Jahr ist jung, der Frühling hat sich noch nicht einmal blicken lassen; und doch dürfen wir hier und heute einen Satz sagen, der sich auch am 31. Dezember bewahrheiten wird: Balbinas Reise als Künstlerin beginnt genau jetzt – »Fragen über Fragen« ist die Platte des Jahres 2017!

Fragen über Fragenvon Balbina | VÖ 17.02.2017 | als Download, CD, Vinyl oder Spotify!

Fotocredits © Jakob and Hannah

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..