Wie das kleine Griechenland es schafft, das große Deutschland und mit ihm ganz Europa herauszufordern, ist die eine Sache. Wie die Spannung zwischen beiden Ländern auf musikalische Weise genutzt werden kann, zeigen das griechisch-deutsche Musikerehepaar Eleni Zafiriadou und Daniel Benjamin von SEΛ + ΛIR. An ihren Erfolg als Band soll nun auch das neue Album EVROPI anknüpfen. Mit verspielter Leichtigkeit und emotionaler Schwere samt der Weigerung, es allen recht machen zu wollen, ist dem griechisch-deutschen Ehepaar mit ihrem zweiten Album ein kontinentaleuropäisches Werk abseits jeder Kategorisierung gelungen. Sie zeigen: Popmusik kann noch überraschen. Musikalisch und inhaltlich. Eine Rezension.
Majestätisch wird „EVROPI“, das langerwartete neue Album von SEA+AIR eröffnet: „We All Have To Leave Someday“. Erst einmal hört man Wind, das Meeresrauschen und Luft – eine Anspielung auf den Bandnamen. Akustisch setzt Daniel Benjamin ein, akustisch und ruhig. Es wird immer düsterer, lauter, undurchsichtiger. Fortlaufend klingt der Opener wahrhaftig göttlich, teilweise nach einem dunklen Chor, der eine Botschaft übermitteln möchte. Fast 6 Minuten wird man aufgewirbelt, wachgerüttelt und gleichzeitig zur Ruhe gebracht, weiter aufgewirbelt und doch irgendwie beruhigt. Als würde man in einen Sturm aufbrechen, der einen über Wellen reiten lässt, bevor es windstill ist und dann doch wieder losgeht. Nach einer ununterbrochenen und langen Reise singt das deutsch-griechische Duo Eleni Zafiriadou und Daniel Benjamin über Aufbruch und Sehnsucht. Heimatlos. Weltoffen. Der antithetische Aufbau der Musik macht deutlich, dass der Track einerseits verführerisch und andererseits doch ungemütlich ist. Der genaue Gegensatz zu dem Abschlusssong „You Are“, der ganz sanft mit Streichern und Instrumental aus diesem faszinierenden Album verabschiedet.
Aber fangen wir ganz gewöhnlich am Anfang an.
Um das gesamte Konzept des Albums zu begreifen, muss man wirklich zuhören und dabei sein. Es ist keine Musik, die man einfach mal so anmachen sollte. Viel zu intensiv ist „EVROPI“. Voller Herausforderungen, Denkanstöße und Brillanz. Künstlerisch sehr wertvoll und hochwertig daher kommend, gibt es auf „EVROPI“ viel zu entdecken und zu bestaunen. Das Ehepaar singt nicht nur über die lange Reise der Europa-Tournee (drei Jahre insgesamt seit dem Debüt „My Heart’s Sick Chord“), sondern auch über die Begegnungen mit Familie und Freunden. Auch für die nicht so anspruchsvollen Hörer bieten SEA+AIR mit „Should I Care“ einen Song an: Hier darf man einfach mal versinken, zuhören, frische Luft atmen und im Meer versinken, wenn auch nur in Gedanken oder in der Phantasie. Siehe da, der Bandname ist hier Programm und taucht immer wieder auf. Selten war ein Pop-Album komplizierter gestaltet und großartiger konzeptioniert. Diese Band versteht ihr Handwerk und liefert ein internationales Goldstück, über das man definitiv auch in fünfzig Jahren noch sprechen wird, wenn man mal über die Top-Alben der letzten Jahre nachdenkt.
Die einzelnen Stücke auseinander zu nehmen, wäre eine Schande, doch „Lady Evropi“ und „We Understand You“ wollen vielleicht hervorgehoben werden, wenn auch wie gesagt die Platte als Gesamtheit einfach ein Goldschatz ist, den man so erst einmal nicht wiederfinden wird. 12 Songs verpackt in 50 Minuten. Das Duo hat ein fantastisches Album hingelegt, um nicht zu sagen, ein perfektes. Vor allem aber sind SEA+AIR einzigartig und fallen dadurch auf – Daniel und Eleni sind eben SEA+AIR und eben nicht sie und er, die es irgendwo schon längst gibt. Individuelle Perfektion in voller Gänze. „EVROPI“ überzeugt ab heute zeitlos, für immer. Erstaunlich in dieser sonst so von Schnelllebigkeit geprägten Welt. Danke für ein Stückchen Ewigkeit, SEA+AIR. Ekstase.
“Evropi“ von SEA+AIR | VÖ 21.08.15 | als Download, CD und Vinyl!
wenn man die beiden schon über 10 jahre kennt, kann man sich einfach nur auf die platte stürzen!
ich erwarte nicht viel: nur GROSSARTIGES!
spannendes, tiefgehendes, ergreifendes und mitreißendes. auf dass sich die 50min – wie von selbst – auf fabelhafte stunden ausdehnen. wieder einmal.
danke schon jetzt.