Manchmal muss man im Leben loslassen, um die Dinge wieder in den Griff zu bekommen. Das galt auch für Milow. Der charismatische Singer/Songwriter aus Belgien landete ab 2006 einen Hit nach dem anderen, triumphierte in unzähligen Konzerten als grandioser Storyteller und Musiker. Keine Frage: Das erste Jahrzehnt im neuen Jahrtausend ist untrennbar mit der weichen, dennoch aber enorm eindringlichen Stimme von Jonathan Vandenbroeck, wie Milow bürgerlich heißt, verbunden. Und mit seinen Top-Hits wie „Ayo Technology“, „You Don’t Know“, „You And Me (In My Pocket)” oder „Little In The Middle“. Wir waren in Dortmund dabei!
Einen Samstagabend auf einem Konzert zu verbringen, macht besonders Spaß: Kein Druck, morgens wieder früh rauszumüssen und überhaupt sind die Leute gelassener in ihrer Wochenendstimmung. So fanden wir uns also nach dem Einlass im FZW in Dortmund ein, um Milow sowie seinen Pre-Act Luke Sital-Singh live zu sehen.
Letzterer betritt pünktlich um 19:30 Uhr die Bühne und präsentiert mit „I Have Been A Fire“ den ersten Songs eines recht depressiven Sets, wie auch die nachfolgenden Titel „Bottled Up Tight“ oder „Cornerstone“ beweisen, als der Engländer selbst feststellt: „I have to warm you up with very sad songs!“. Doch das scheint nicht schlimm zu sein, denn das Publikum hält seine Blicke dennoch kontinuierlich an der Bühne fest und scheint von Lukes kräftiger Stimme begeistert. Wahrscheinlich nicht zuletzt, da Sital-Singh auch einen fröhlichen Titel dabei hat: „Are you ready for a happy song?“, fragt er fast scherzhaft, „I have one happy song I’m going to play, you’ll love it. But only this one. I got married last year. I thought, if there was ever a right time to write a happy song, this was the perfect time!”, leitet er „Greatest Lovers” ein. Eine halbe Stunde vergeht schnell, wenn man aufmerksam zuhört, schon ist Luke Sital-Singh mit „Nothing Stays The Same“ beim letzten Song des Abends angekommen, dessen Titel von Leuten neben uns direkt einmal via Shazam gesucht wird. Der Junge hinterlässt Eindruck – andersrum aber auch der Zuschauerraum: „I hope I’ll come back to your very well-behaved town again. Thank you! Dankeschön. Have a good night!“, verabschiedet er sich.
Nach einer recht kurzen Umbauphase betritt Milow samt Band bereits um 20:20 Uhr die Bühne und startet mit „Learning How Do Disappear“ in den Teil seines Konzertabends. Sofort fällt auf, dass der Soundcheck offenbar gut lief, denn der Sound klingt sehr gut; sowohl von der Stimme, als auch von den Instrumenten her. Milow und das FZW harmonieren! Auf sein Kommando „Sing with me!“ zum nächsten Titel „You Don’t Know“, werden wie auf Abruf die Smartphones gezückt – und auch die Stimmen seitens des Publikums ertönen: sanft, aber sicher. Eines ist sicher: So verhalten die Gäste auch teilweise ihr Stimmchen erklingen lassen, so sicher sind sie, wenn es ums Klatschen geht. Kaum erheben Milow oder ein Bandmitglied die Hände, um es vorzumachen, ist das gesamte FZW voll dabei, wie beispielsweise beim Titel „Little In The Middle“.
Während Milow den mitsingenden Gitarristen Tom und die Backgroundsängerin Nina, die gleichzeitig auch Percussion spielt, vorstellt, leitet er „Echoes In The Dark“ ein, da er von beiden bei dem Stück begleitet wird. Passend zu dem Song wird das Licht ein wenig rot gedämmt, um die Stimmung zu transportieren, was überaus gut klappt. Weiter stellt der Belgier fest, dass er noch nie in Dortmund war: „Some of us have met before. I mean, at the shows, Nordrhein-Westfalen!“ – und tatsächlich erinnert er sich an seine Gastspiele in Bochum, Düsseldorf oder Köln. Die Stimmung wird noch ein wenig angehalten, denn auch „Wind Me Up“ wird in einem fast dunklen Raum gespielt; einzig zwischen den Holzbrettern, die das Bühnenbild darstellen und verschönern, leuchtet es ein wenig. Der Sänger scheint ein Kumpeltyp zu sein: Er lässt auch gerne mal der Band den Vortritt und stellt keinen typischen ‚Frontmann‘ dar, es ist fast so, als würde der Künstler nicht Milow heißen, sondern Milow & Band oder eben, als wäre Milow eine Band und kein alleiniger Sänger, was ihn sofort sympathisch macht. Immerhin steht auf der Bühne aber auch ein eingespieltes Team, wie beiläufig auch gerne erzählt wird.
„We play 23 cities in November only, we try to prove that we are not lazy musicians”, erzählt er auf eine richtig nette Art und Weise. Man sollte das wirklich mal versuchen, nachzuvollziehen: So schön es auch ist, dass man als Musiker auf der Bühne steht und sein Hobby zum Beruf macht – es steckt auch immer viel Vorbereitung und Stress dahinter, wie in jedem anderen Job auch. „We didn’t get the chance to play it often in the summer set“, stellt Milow sodann „One Of It“, einen Song vom ersten Album, das bereits 2009 erschienen ist, vor.
Nachdem der aktuelle Hit „We Must Be Crazy“ gespielt wurde, gibt’s mit einer Art Dance-Trance-Dubstep-Remix mit „Here We Are Now“ einen Nachschlag, der tatsächlich als Anhang zu „We Must Be Crazy“ auf der Setlist steht. Äußerst überzeugend wird die Nummer gespielt, die eigentlich nicht ins Set passt, aber durch die Aufmachung wirklich gut wirkt, während Milow zu den Discolichtern auf und ab springt. Die Stimme könnte man auf jeden Fall für so einen Track einsingen; und seine Stimme wird mit einem kurzen akustischen „It’s truuuue“ auch noch einmal unter Beweis gestellt. Aufgeheizt durch diesen Track, darf das Publikum nun zur Unterstützung eilen: „You guys can help me out with this one!“, leitet Milow „Out Of My Hands“ ein – wie von alleine singt das Publikum mit. Um alles wieder ein bisschen zu beruhigen, wird „Building Bridges“ nur in der Version gespielt, wie es damals aufgenommen wurde, und so stehen Milow und sein ‚brother from another mother‘ Tom auf der Bühne und singen es mit Leib und Seele.
Für witzige Stories ist Milow der Richtige, das können wir sagen! Es wäre schwierig, alles zu zitieren, aber Folgendes gibt einen Einblick in die wirren Gedanken des Performers: „The negative side of being away is I miss my dog. The strange thing is… I have no dog. The last days, I was daydreaming I had a dog!“, erzählt er und muss selbst lachen. Die vollständige Geschichte darüber dauert ungefähr und mindestens 15 Minuten, bis Jonathan, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, auf die Idee kommt, die Hundebesitzer-Fans könnten ihren Hund ja mitbringen, sodass Milow & Band mit den Hunden spielen können und abends dürfen sie wieder nach Hause. Glorreich! Als sich alle beruhigt haben, spielt Tom ein großartiges Intro zu „She Might, She Might“ und Milow stellt ihn nochmal mit den Worten „his name is Tom“ vor, was dieser mit einem „das stimmt“ bejaht. Lustige Burschen, die Belgier. Auch „The Ride“ bekommt eine Art Intro, und zwar in Form von Worten: „In my head, I hear unbelievable intros – but what comes out, is this…“.
Ein Konzertabend, der gleichermaßen für Milow und seine Band als auch für die Fans spannend und unterhaltsam scheint. Das Publikum darf bei „You And Me“ noch einmal kräftig mitsingen, „Against The Tide“ ist der vorerst letzte Song und erfordert auch die Stimmen der Fans. Bevor es die erste Zugabe gibt, möchte Milow noch eine Antwort haben: „For whom is it the first Milow concert?“ – und als tatsächlich einige aufzeigen, hat er auch eine Antwort parat: „Shame on you! No. Thank you for giving us a chance“, scherzt der Sänger und kommt zu dem Entschluss, dass es 50/50 Neulinge und bekannte Gesichter sind. Seine wirren Fantasien werden in dem Song „I Was A Famous Singer“ fortgeführt, zu dem er auch noch eine Einleitung parat hat: Er landet mit einem Helikopter, alle schreien MILOW, hat viele Groupies, nimmt Drogen, wird arrogant etc. Alles Fantasien, die der Songtext von sich gibt. Weiter auch: „I was a famous singer until my fans gave up on me“, was diese sofort mit einem „Never ever“-Chor verneinen. Wie süß! Auch ein Cover gehört zu den Zugaben, was mit „Blue Skies“ präsentiert wird, bevor Milow sich bedankt: „Everyone, thank you so much for coming out. Thank you for a great gig in your city, City of Borussia. I can’t remember all the other cities, because all I was thinking about was Dortmund tonight!”, lässt er seinen Humor noch einmal sprechen, bevor der Abend mit den abschließenden Songs „Tomorrow The Sun May Go” und „Canada” erfolgreich beendet wird und Milow noch eine Einladung ins Publikum schickt: „Let’s grab a drink after the show!“. Sehr sympathischer, humorvoller und talentierter Weltstar!
>> Hier geht’s zur Foto-Galerie Milow / Luke Sital-Singh, 15.11.2014 Dortmund.