Ed Sheeran ist kein Künstler, der sich dem Vertrauten hingibt oder gar selbstzufriedenen Stillstand pflegt. Im Gegenteil, der 23-Jährige in Halifax, West Yorkshire, geborene Ed Sheeran ist ständig auf der Suche: Die neuen Songs auf „x“ zeigen, wie sehr sich dieser unglaubliche Künstler sowohl musikalisch als auch mit seiner Stimme weiterentwickelt hat und trotz seiner jungen Jahre wie ein gestandener Veteran wirkt. Nun ist der junge Brite auf großer Tour – wir waren in Düsseldorf dabei!
Vom Zeltfestival Ruhr (Bochum) ins Palladium (Köln) in den ISS Dome (Düsseldorf) – dieser Klimax trifft auf Ed Sheerans Veranstaltungsorte in Nordrhein-Westfalen zu. Nachdem wir bei den beiden ersten Konzerten seiner Zeit begeistert, wie hypnotisiert und geflasht waren, war es klar: Bei der „Multiply“-Tour müssen wir wieder vor Ort sein.
Mit Jamie Lawson betrat um 19:30 Uhr der erste von zwei Support-Acts die Bühne – mit Support-Shows kennt der Brite Jamie sich aus, der vor allem mit seiner Stimme überzeugen kann, war er doch bereits als Opening Act für Größen wie Damien Rice, Katie Melua oder Ben Howard unterwegs. Selten hört ein Publikum, das bereits vor Konzertbeginn für den Hauptact kreischt, so aufmerksam zu: Düsseldorf scheint begeistert von dem sympathischen Jamie Lawson zu sein, der eine Auswahl seiner Songsammlung präsentiert und zwischendurch scherzt: „I will be at the Foyer after my set. If you can’t see my in the back: look out for the handsome guy”. Ein toller Singer-Songwriter, der an den jungen Jeff Buckley erinnert. Jamie Lawson hat das Publikum begeistert, was sie ihm mit Applaus danken – und mit dem Fakt, dass er in Düsseldorf so viele CDs verkauft hat wie bisher noch nirgendwo. Glückwünsch!
Jamie Lawson „The Quiet Man“ offizielles Musikvideo:
(Randnotiz: Leider waren wir aufgrund eines enormen Staus an der Ausfahrt Düsseldorf-Rath Richtung ISS Dome zu spät, um noch Fotos von Jamie Lawson machen zu können. Erst in der Mitte seiner Performance gelangten wir auf unsere Plätze. Schade!)
Langweilig wurde dem Publikum nicht: Schon um 20:00 Uhr stand mit Saint Raymond der zweite Support-Act auf der Bühne. Dieser war nicht alleine, sondern hatte eine Band bei sich – für Schlagzeug-, Gitarren- und Basstöne war also gesorgt; und auch Saint Raymond selbst griff gerne mal zur Gitarre. Auch er spielte 30 Minuten eine Auswahl seiner Songs, darunter auch den Song „Young Blood“, einen extrem gute Laune machenden und guten Popsong (zweimal gut in einem Satz ergibt sehr gut, also). Die Zuschauer scheinen auch von ihm begeistert zu sein, weshalb wir nicht überrascht sind, als wir kurz darauf hören, dass Ed Sheeran sein eigenes Plattenlabel gegründet hat: Wenn er da noch mehr solcher Künstler in die Welt hinaus schickt, freuen wir uns schon jetzt – aber wir erwarten ehrlich gesagt auch nichts anderes.
Zwei sympathische und gute Musiker, denen Ed Sheeran die Chance gegeben hat, sich einer großen Masse zu präsentieren: Genau wegen solcher Künstler sollte man wirklich immer „on time“ für den Support-Act sein, denn da sind oftmals großartige Künstler dabei. Aufgrund des Massenandrangs von 11.500 Fans (nachdem das Konzert von der Mitsubishi Electric Halle hochverlegt werden musste, war auch der ISS Dome schnell ausverkauft), war es leider nicht jedem möglich, pünktlich da zu sein, deshalb könnt ihr hier die aktuellen Veröffentlichungen der Künstler kaufen, falls ihr sie verpasst habt: Jamie Lawson – „The Pull Of The Moon“ | Saint Raymond – „Ghosts“ + free „The Introduction“ EP!
Um 21:00 Uhr ist es soweit und der Haupt-Act betritt die Bühne: Ed Sheeran kommt wie aus dem Nichts auf die Bühne, als das Gekreische sofort losgeht – mit „I’m A Mess“ startet er in den Konzertabend und da passiert es auch schon: Die erste Saite seiner Gitarre reißt bereits während des ersten Songs. Das Publikum ist sofort voll dabei und singt von der ersten bis zur letzten Zeile alles mit, was den erfolgreichen Briten sichtlich freut. Auch zu „Lego House“, einem Titel des Debüts, möchte er die Gesangsfähigkeiten seiner Fans testen, indem er sie den Refrain singen lässt; kurzerhand springt er auf eine der Boxen, um dem Geschehen lauschen zu können. Der restlos ausverkaufte ISS Dome ist außer Rand und Band, alle erfreuen sich an dieser One-Man-Show, der ein „Don’t / Loyal / No Diggity“-Medley präsentiert und immer einen guten Wechsel zwischen alt und neu in der Setlist aufweist.
Ein erstes absolutes Highlight bietet Ed Sheeran mit seinem Song „Bloodstream“: Er bittet die Fans „when the beat drops“, eine Hip-Hop-Hand zu machen. Das lässt Düsseldorf sich nicht zweimal sagen: Nachdem sich alle eingesungen haben, kommt die Bewegung auch noch dazu und es sieht gigantisch aus, als man in die Menge blickt und 11.500 Hip-Hop-Hände diverser Menschen aller Altersklassen sieht, egal ob sie im Innenraum stehen oder auf den Rängen sitzen. Wow, was für eine Einheit! Als wäre das nicht genug, was man da erstmal verarbeiten muss, trommelt und reibt Ed wie verrückt an seiner Gitarre, was kurze Zeit später noch einmal via Aufnahme der Loop Station erklingt. Ein Gänsehaut-Moment jagt den anderen und die richtige Highlight-Show beginnt ab jetzt!
Sobald er einen Song beendet, beginnt es zuerst aus den letzten Reihen zu kreischen, bevor dann wirklich die ganze Halle mitmacht und man sich vorkommt, als wäre man auf einem Konzert einer kompletten Boyband – alle rasten völlig aus: Aber nein, Ed Sheeran schafft das alleine. Wahrscheinlich deshalb, weil man mit geschlossenen Augen wirklich denken könnte, dass dort eine ganze Mannschaft steht. Mehr als „nur“ eine Boyband. Dieser Mann ist der Wahnsinn! Nach seinem Titel „Runaway“ liefert er als Einschub noch einen kurzen Cover-Part aus „Everybody (Backstreet’s Back)“. Zwischendurch fordert Ed mit netten Äußerungen wie „I wanna see your hands in the air, clap for me“ seine Fans zum Mitmachen auf, wenn sie mal etwas zu still geworden sind.
„I always like coming back to Germany. You were one of the first countries where I sold many records and played sold out shows. I wanna thank you. You guys know how to be quiet and you always know when it’s better to be quiet and listen or when to be part of the show”, lobt Ed Sheeran seine deutschen Fans, für die er noch ein besonderes Schmankerl bereit hält: „I played this song only once before. Tonight, it will be the second time ever…”, erfreut er die Zuschauer und beginnt mit den Klängen des Songs „The Man”. Und das Publikum beweist umgehend, dass er das zu Recht sagt und tut: Völlig leise und aufmerksam lauschen sie „The Man”, dem raren Live-Song. Gänsehaut hier und da. Ein nicht positiver Song bekommt Aufmerksamkeit und das zeigt das Verständnis und, dass die Fans einen absoluten Sinn für seine Musik und Texte haben. Wenn Künstler und Audienz immer so harmonieren würden, das wäre ein Traum! Mit der aktuellen Single „Thinking Out Loud“ gibt’s dann noch einmal eine positive Nummer, bevor es noch einmal in die ruhigere Richtung geht und das Dreiergespann „I See Fire“, „The A Team“ und „Give Me Love“ einen großartigen Konzertabend für einen Moment beenden. Denn schon vor „Give Me Love“ weiß Ed: „Technically, this is the last song for tonight… technically!“, grinst der Rotschopf schelmisch. Passend zu der letzten Ballade des Abends setzt er sich auf die Boxen in einen halben Schneidersitz und singt die sanften Zeilen: „You know I’ll fight my corner / And that tonight I’ll call ya / After my blood is drowning in alcohol / No, I just wanna hold ya“. Wie schön!
Weiter geht’s mit zwei ausgiebigen Zugaben, die es in sich haben: „You Need Me, I Don’t Need You“ ist und bleibt einfach das fantastische, furiose, famose Finale einer jeden Ed-Sheeran-Show. Eine Performance, die man gar nicht beschreiben kann. Hier spielt das Talent auf jeden Fall nochmal alle Karten aus und überzeugt auch die letzten Unentschlossenen noch – wobei es davon eigentlich schon allerallerspätestens seit „Bloodstream“ keine mehr geben dürfte. Mit einer Wahnsinns-Performance von „Sing“, seiner ersten Single des neuen Albums „X“, beendet er seine 1 1/2-stündige Live-Show der Superlative. Live-Empfehlung des Jahrhunderts!
>> Hier geht’s zur Foto-Galerie Ed Sheeran / Saint Raymond, 05.11.2014 Düsseldorf.
(c) Konzertfotos: R. Bektas